Was bisher geschah: Seit Teil 1 wissen Sie, was Sie für Ihre Schreibvorbereitung vom Wildwasserfahren lernen können. Und im Teil 2 haben Sie erfahren, wie Sie am Schreibtisch und im Boot Ihre Startschwierigkeiten überwinden. 

Die Kajaker-Tricks aus Teil 1 und 2 haben ja sicher geklappt, also sind Sie jetzt ins Schreiben gekommen. Vielleicht fließt es geradezu aus Ihnen heraus und Sie schwelgen in dem Hochgefühl, dass Schreiben doch ganz einfach ist. Ihre Finger sausen dahin, es ist ein wahre Freude. Sie wollen gar nicht mehr aufhören.

Bis Sie plötzlich abrupt gebremst werden …

Da liegt was quer

Oh je. Sie sind voll auf einen dicken Gedankenbrummer aufgelaufen. 

Ja, Hilfe! Wie kommen Sie denn jetzt weiter? So einfach drumherum mogeln können Sie um diesen Klops jedenfalls nicht. Das hier fühlt sich böse nach Sackgasse an …

Das kann Ihnen beim Wildwasserfahren auch passieren und zwar meist dann, wenn Sie es zugelassen haben, dass das Wasser des Flusses Sie einfach mitgerissen hat – so wie Ihr assoziativer Gedankenstrom. Doch dieser Strom führt Sie oft genug nicht dahin, wo Sie eigentlich hinwollen. Und schon hängen Sie mit Ihrem Boot am Stein, wo es nicht mehr weiter geht. 

Dumm gelaufen. Oder besser gesagt: Keine gute Linie gewählt.

Ausgestiegen

Diese Sackgasse ist für Sie als Autor unangenehm. Für die Begeisterung Ihres Lesers jedoch ist sie tödlich: Selbst wenn er bis hier hin mit in Ihrem Boot saß, steigt er spätestens jetzt aus. Denn er muss feststellen: Der Lesefluss stockt, die Gedanken entwickeln sich nicht weiter. Er bekommt das Gefühl: Sie führen ihn hier nicht weiter. Das findet er nicht gut.

Hmmm: Da drüben, ein paar Meter weiter würde der Lesefluss wunderbar fließen. Doch dahin müssten Sie jetzt springen. Das geht weder im Kajak noch beim Schreiben gut. Mit dem Kajak geht es rein physisch nicht, beim Schreiben verzeiht es Ihnen der Leser nicht. Er hat den Eindruck, dass Sie nicht wissen, was Sie wollen. So fesselnd können Sie vorher gar nicht geschrieben haben, dass er Ihnen durch diese Verwirrung folgt. 

Die Folge ist also: Ihr Leser ist weg. Und der steigt bei Ihnen auch so schnell nicht wieder ein.

Doch Sie können etwas dagegen tun.

Die ideale Linie

Machen Sie es wie die erfahrenen Wildwasserkajaker: Die scouten nämlich den Fluss, bevor sie ihn befahren.

Scouten heißt, dass Sie sich zuerst vom sicheren Ufer aus den Fluss im Detail ansehen. Es geht nicht mehr darum, den Einstieg und den Ausstieg festzulegen wie bei der Vorbereitung, sondern um den genauen Verlauf Ihrer Fahrt. Einen, der Sie durchgängig folgen können, ohne dass Sie hängen bleiben oder in einer Sackgasse landen. Wo ist Ihre ideale Linie? 

Was diese „ideale“ Linie in Ihrem Fall ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel von Ihrem Leser, von Ihrem Können, von Ihrer Botschaft. Brauchen Sie viele oder nur wenige Richtungswechsel, damit die Spannung beim Lesen gewahrt bleibt? Führen Sie Ihren Leser ruhig mal ein bisschen an der Nase herum, damit Sie ihm umso überraschender eine Einsicht präsentieren.

Wo sollten Sie Gas geben, wo eher bedächtig werden? Mit Abwechslung verhindern Sie Eintönigkeit.

Geradewegs im immer gleichen Tempo auf das Ziel zu ist praktisch nie die beste Linie: Selbst wenn auf dieser schnurgeraden Bahn kein einziges Hindernis liegt: Sie langweilen Ihren Leser damit zu Tode. Das macht er nicht lange mit.

Ihre Linie hängt auch von Ihren Ansprüchen ab: Sind Sie auf die elegante Linie aus? Oder die actionreiche? Oder gehen Sie lieber auf Nummer sicher und wählen die Chickenline?

Besser Chickenline als gar keine Führung

Als Chickenline bezeichnen die Kajakfahrer die einfachste aller möglichen Befahrungslinien: die, die alle schaffen, weil sie die Hindernisse in weitem Abstand umfährt und kaum anspruchsvolle Steuerungsmanöver erfordert. 

Die Chickenline zu nutzen, ist eher die langweilige Variante, sowohl beim Schreiben als auch beim Lesen. An den Stellen, die Ihnen schwer fallen, ist sie aber immer die bessere Wahl, vor allem wenn Sie ansonsten Ihre Linie dem Fluss oder den Zufall überlassen würden. 

Egal für welche Linie Sie sich entscheiden: Es macht immer Sinn, dass Sie sich vor dem Schreiben im Klaren sind, wie Sie Ihren Leser nicht nur von A nach B, sondern im Detail in Ihrem Text führen. Dann steigt er nämlich erst aus, wenn Sie mit ihm am Ziel sind. Und wahrscheinlich fragt er Sie auch noch, wann er mal wieder mit Ihnen auf den Lesefluss kommen darf …

Petra Münzel-Kaiser

Und wenn Sie Lust auf eine weitere Portion Wildwasser-Wissen haben, lesen Sie im vierten und vorerst letzten Teil, wie selbst die besten Kajakfahrer immer noch besser werden.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fill out this field
Fill out this field
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
You need to agree with the terms to proceed